Krisenfragen

Fundamentale Antworten zur Krisenfrage -
Das Lüften des Ursachen-Schleiers

Interview von Ruth Bütikofer Schwalbe mit Margarete Friebe
erschienen 2009 im Drei Eichen Verlag, D-97762 Hammelburg

Margarete Friebe, Sie setzen sich seit über 30 Jahren forschend und studierend mit Sinn und Ziel des menschlichen Seins auseinander und haben darüber auch einige Bücher geschrieben.
Das allgemein vorgegebene und erstrebte Ziel, nämlich das Erreichen einer stabilen Wirtschaft haben wir nicht erreicht. Die weltweite Wirtschaftskrise zeigt das bedrückende Gegenteil. Wir haben bestausgebildete Ökonomen und Wissenschaftler, und dennoch erleiden wir wirtschaftliche und finanzielle Zusammenbrüche, teilweise von noch nie dagewesenem Ausmass. Relativ hilflos und ratlos begegnen die Experten dieser Katastrophe.
Können Sie aus Ihren Erkenntnissen heraus einige Gründe für diese Misere nennen?

Friebe:
So lange dem Menschen in Erziehung und Bildung nur das Erstreben äusserer körperlich-materieller Werte - ohne stabilisierende innere - aufoktroyiert wird, solange herrscht das Bemühen, möglichst schon vom Kindergarten an, um eine einseitig hohe intellektuelle Bildung, die als Voraussetzung zum Erreichen wirtschaftlicher Ziele betrachtet wird.
Das umfangreiche Aus- und Weiterbildungs-Angebot sollte zur Wirtschaftsförderung beitragen.
Dieses hoch gesteckte einseitig ausgerichtete Bildungssystem hat auf breiter Ebene Misserfolg und Leid gebracht.

Und was fehlt konkret nach Ihrer Meinung?

Friebe:
Es fehlt eine "ganzheitliche" Bildung, die sowohl durch ein gutes intellektuelles Niveau äussere Werte anstrebt, die jeder braucht und haben sollte, die aber auch eine umfassende hohe "innere Bildung" mit ethischen Werten vermittelt, die als Basis allen Fächern dienen sollte.

Und Sie meinen, dass dieses Bildungsmanko die Ursache der Krise ist?

Friebe:
Welchen Nutzen bringt uns denn ein excellent ausgebildeter Experte, der sich nur für alles Äussere einsetzt, zum Teil auch für Image und Macht, und durch ein "Management by elbows-Konzept" tendenziell in der Lage ist, auch menschenverachtende Situationen und Produkte zu schaffen?
Ja, es kann sich durchaus ein vorübergehender äusserer Erfolg zeigen, der aber den zerstörenden Keim des Misserfolges in sich trägt, der umso schneller wächst, desto intensiver zu Lasten der Menschheit gewirtschaftet wird. Mir fällt hierzu spontan das Abholzen des Regenwaldes aus wirtschaftlichem Profitdenken ein, das viel Leid und Umweltkatastrophen nach sich zieht.

Wollen Sie tatsächlich sagen, es besteht die Absicht, zum Schaden der Menschheit zu wirtschaften und - ich füge herausfordernd hinzu - auch in Bezug auf wissenschaftliche Forschungen zum Nachteil der Menschen?

Friebe:
Nein, eine gezielte Absicht, den Menschen zu schaden, dies liegt sicher nicht vor. Ich bin im Gegenteil überzeugt, dass sogar auf den verschiedenen Ebenen zum Teil viel guter Wille vorhanden ist, engagiert das Beste bewirken zu wollen und man bedrückt und erschüttert ist über ein Ergebnis des Bösen.

Sie selbst, Frau Friebe, führen jedoch in Ihrem Unterricht und in Ihren Büchern aus, dass jede Ursache eine "entsprechende" Wirkung erzeugt. Widersprechen Sie sich jetzt nicht mit Ihrer Äusserung, dass der gute Wille, gepaart mit Engagement, eine gegenteilige, nämlich eine schlechte Wirkung hervorbringt?

Friebe:
Wir können etwas gut meinen und dennoch das Schlechte bewirken, wenn uns das "entsprechende Wissen" fehlt.
Wir sagen, wir wollen zum Wohle des Menschen handeln unter Berücksichtigung seiner Menschenwürde.
Aber wir haben es gründlich unterlassen, systematisch zu erforschen, was denn das "Wohl" des Menschen und seine Würde ist?
Besteht das Wohl nur im gesunden Körper und in materiellem Wohlstand?
So lange wir uns nicht das umfassende Wissen erarbeiten, dass der Mensch eine vernetzte körperlich-geistig-seelische Einheit ist, solange betrachten und behandeln wir uns selbst wie den anderen nur als äusseres physisches Wesen mit Intellekt begabt.

Entsprechend setzen wir uns nur für das äussere körperlich-materielle Wohlergehen ein, das langfristig keineswegs erreichbar ist, da ausser Acht gelassen wird, dass Geist und Seele mit dem Körper verbunden sind und auf ihn einwirken. Sorgen wir nicht durch eine gezielte ganzheitliche Bildung auch für ein inneres geistig-seelisches Wachstum und dadurch auch für eine seelische und geistige Gesundheit, so fehlt die Ausgangsbasis für ein äusseres Wohl.

Wir erleben heute ansteigende seelische Krankheiten. Viele empfinden eine innere seelische Leere, sie betäuben sich, sie sind auf der Flucht vor sich selbst, da sie nicht wissen, wer sie vom innersten Kern her sind. Sie kennen ihre verborgene innere geistige Grösse und Würde nicht - durch Mangel an Bildung. Viele offerieren ihrer Seele eine krankmachende, herabziehende, würdelose geistige Kost durch die wiederholte Aufnahme brutaler, negativer Bilder und Informationen. Es ist ein Prozess der "Entmenschlichung", der keineswegs zu einem Aufschwung beitragen kann.

Unser Bildungssystem engt das Bewusstsein erschreckend ein, indem es nur das Äussere, Beweisbare als einzig anerkannte Realität propagiert und gelten lässt. Geist und Seele wurden ausradiert. Das Bewusstsein vieler ist eingesperrt im Käfig des Beweisbaren; man hat ihm die Flügel gestutzt. Die Wirkung zeigt sich in einem verkrüppelten, kranken Bewusstsein, das nun wirtschaftliche, wissenschaftliche, technische, etc. Konzepte und Taten entwickelt und hervorbringt, die die "Geisteskrankheit" widerspiegeln... Unsere heutige Zeit!

Das ist wirklich hart. Wollen Sie tatsächlich sagen, dass unser Bildungssystem ein krankes Bewusstsein hervorbringt, das dann die Katastrophen bewirkt?

Friebe:
Ein Blinder, der von der Schönheit der Natur umgeben ist, nimmt diese nur bedingt wahr. Durch das Fehlen seiner Sehkraft kann er die ihn umgebende Realität nur unvollkommen erleben.
Ähnlich ist dies in Bezug auf den Bewusstseinszustand der Menschen:
Wenn man durch ein begrenztes Bildungssystem das Bewusstsein einseitig nur auf das Beweisbare ausrichtet, das als einzig anerkannte Realität bezeichnet wird, so tritt allmählich bei wiederholter Konzentration auf diesen vorgegebenen Realitäts-"Ausschnitt" ein hypnotischer Bewusstseinszustand ein. Der Mensch engt sein Wahrnehmungsvermögen nur auf diesen kleinen Bereich des Beweisbaren ein, der dann zum Inhalt, Sinn und Ziel seines Lebens wird. Er erfasst sich mit diesem eingeengten Bewusstsein auch nur als physisches Wesen, das dem Beweisbaren Rechnung trägt. Geist und Seele sind nicht beweisbar, sie liegen ausserhalb seiner engen Wahrnehmungsfähigkeit.

Da der Mensch sich nunmehr nur als körperliches Wesen - dem Tier ähnlich - wahrnimmt, richtet er seine ganze intellektuelle Bildung, seine Forschungen, seinen engagierten Einsatz vorwiegend auf körperlich-materielle, also beweisbare Werte, denen er aber keine stabilisierende ethische Basis geben kann, denn ethische Werte sind nicht auf der körperlichen, sondern auf der ihm unbekannten geistig-seelischen Ebene beheimatet. So errichtet der Mensch ein äusseres Gebäude, das auf Sand errichtet ist, und durch das globale Zusammenspiel gewisser Situationen ist ein Zusammenbruch vorprogrammiert.
Der eingeengte, begrenzte Bewusstseinszustand kann nicht zum Wohl des Menschen beitragen. Dieses kranke Bewusstsein erzeugt kranke Zustände, Zusammenbrüche, Chaos.
Um zum "Wohle" des Menschen wirken zu können, dies erfordert eine ganzheitliche, gesundende Bewusstseinsbildung, eine umfassende Geistes-Seelen-Kultur, die als tragende Ethik langfristige blühende Erfolge im Äusseren bringt durch einen wachsenden inneren Fortschritt im Sinne einer Herzensbildung.

Sie meinen, dass eine Geistes-Seelen-Kultur den Ausweg aus der Krise bewirkt?
Müssen wir nicht ein effizientes Wirtschaftswachstum anstreben?

Friebe:
Mit dem ausschliesslichen Streben nach Wirtschaftswachstum würden wir auf der alten Schiene - vielleicht durch veränderte Strategien auf Hochglanz poliert - weiterfahren, die alte Schiene, die uns bereits bachabwärts geführt hat.

Jetzt ist die Zeit angebrochen, wo wir am Kreuzesweg stehen: Wollen wir weiter wie bisher uns nur auf der dünnen Eisfläche körperlich-materieller Werte bewegen, geführt vom lahmen, kränkelnden und schwachen "Wirkungsbewusstsein", dem der andere Teil, das "Ursachenbewusstsein" fehlt?
Die erste Ursache jeder beweisbaren Wirkung zeigt sich ursprünglich in der Idee, der Vision, aus der alles entstanden ist und entsteht. Krieg ist eine beweisbare Wirkung ursächlicher kriegerischer Ideen. Alles Äussere widerspiegelt die Qualität unserer Gedanken und Ideen.
"Eine ernsthafte Geistes-Seelen-Kultur fordert eine Kultur des Denkens."

Aber das Denken muss doch jedem frei überlassen bleiben.

Friebe:
Ja, sogar unbedingt. Der Respekt vor dem freien Willen eines jeden Erwachsenen muss respektiert und geachtet werden, allerdings nur bis zu der Grenze, wo anderen ein Schaden zugeführt wird. Um aber denkend entscheidungsfähig sein zu können, dazu bedarf es einer guten Wissensgrundlage, die hilft, im Entscheidungsprozess Relationen herstellen zu können.
Wenn wir jetzt beginnen, uns zu entscheiden, den Weg einer ganzheitlichen Bildung zu gehen, die unter anderem ein Denken, Reden und Handeln auf einem hohen geistigen Niveau einleitet, das ethische Werte wie zum Beispiel Mitmenschlichkeit, Güte, Rücksichtnahme, Versöhnung, Toleranz beinhaltet, dann gehen wir einer erfreulichen Zukunft entgegen.
Wir tragen zur Entfaltung des Bewusstseins bei, das uns befähigt, die missbrauchten und verzerrten Begriffe Geist und Seele wieder auf das ihnen gebührende hohe Niveau zu setzen. Wir sind in der Lage, unser Bewusstsein zu öffnen für das in allem waltende schöpferische Prinzip, das wir auch als die in uns lebende wesenhafte Ur-Kraft, Ur-Liebe und Ur-Weisheit erkennen und lieben können.

Diese höhere Erkenntnis durch das sich entfaltende Bewusstsein leitet eine neue Ära ein, in der wir uns nach wie vor für eine stabile Wirtschaft einsetzen, allerdings nicht mehr wie bisher als Ziel und Selbstzweck, sondern als Mittel zum Zweck einer grandiosen Bewusstseins-Evolution, durch die wir mit einem erweiterten Wahrnehmungsvermögen das stets real vorhandene Wahre, Gute, Schöne, Edle erleben und in unsere Strategien und Aktvitäten integrieren.
Es ist ein steiler und mitunter auch dorniger Weg. Es braucht Geduld und eine treue Vertiefung in dieses umfassende Wissensgebiet.

Und woher soll der Einzelne die Kraft nehmen, diesen schwierigen Weg zu gehen?

Friebe:
Die Kraft dazu könnten wir aus der jetzigen Krise gewinnen. Und unser ans Kreuz genageltes einseitig egoistisch-materialistisches, profitorientiertes Denken und Handeln, das viel Leid bewirkte, können wir mit dem neu errungenen entfalteten Bewusstsein vom Kreuz lösen. Und wir feiern die Auferstehung im Neuen Zeitalter durch die Belebung des in uns verborgenen hohen geistig-seelischen Potentials, das eine neue Kreativität anfacht, schlummernde Energien in uns erweckt, die auch zur Heilung beitragen und uns auf den sicheren Weg zur Hoffnung, zum Vertrauen und zur Zuversicht leitet durch das Wissen, in der innersten Ur-Kraft der Liebe geborgen zu sein.

Herzlichen Dank, Margarete Friebe, für Ihre unorthodoxen, aber auch aufrüttelnden Worte, die zum Nachdenken anregen und einige bisher noch nicht aufgedeckte Ursachen der jetzigen Krise nennen. Auch dass Sie einen möglichen Ausweg aufzeigen, ist erfreulich.

© 2009 by Margarete Friebe

Seit 1973 führt Margarete Friebe, Tiefenpsychologin und Autorin eine umfangreiche, internationale Lehrtätigkeit aus - in Mitteleuropa, vornehmlich in der Schweiz - auf dem Gebiet der tiefenpsychologischen Schulung für Privatpersonen, ebenso für das Management. Spezielle Seminare leitet sie für Mediziner.
Sie ist Inhaberin des Alpha-Instituts und Gründerin der Friedensstiftung International White Cross, Adligenswil-Luzern/Schweiz.
margarete.friebe@bluewin.ch
www.friebe.ch

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